Posts Tagged ‘Auszeit’

„Manchmal, wenn ich in meinem Zimmer bin und arbeite oder ein Buch lese, dann weiß ich, dass ich genau das Gleiche jetzt auch in Rosenheim oder München tun könnte. Aber trotzdem fühlt es sich hier ganz anders an – und zwar weil draußen vor der Tür Italien ist“, schreibt Julia Lorenzer in ihrem Buch „Ein Jahr am Gardasee“. Eine sehr treffende Aussage, die das nicht zu beschreibende Andere in einem fremden Land wider gibt, finde ich.

Ich  liebe die Serie „Ein Jahr in….“, wo Menschen über ihren wahr gewordenen Traum von einem einjährigen Auslandsaufenthalt schreiben. So ein großer Schritt braucht immer Mut. Und Julia Lorenzer hatte ihn eines Tages glasklar. Sie setzte alles in Bewegung, um ihren Traum, in Italien zu leben, zu erfüllen. Sie gab ihren ungeliebten Job auf, ließ ihren Verlobten zurück und begab sich ins Unbekannte, nicht wissend, wovon sie in der Zeit ihres Auslandsaufenthalts leben sollte.

Am Gardasee mietete sie ein Zimmer bei einem Ehepaar, versuchte, im Ort Fuß zu fassen und sich mit Gelegenheitsjobs über Wasser zu halten. Und sie lernte einen Mann kennen, einen Italiener. Sie liebte das „Italienische“ an ihm, genoss seine Verehrung und dachte eher wenig an ihren Verlobten Florian zu Hause. Bis es ihr irgendwann doch dämmerte und sie dem Verehrer ihren Verlobten gestand. Florian wiederum setzte alles in Bewegung, um sie am Gardasee für einige Wochen besuchen zu können und ganz in das italienische Lebensgefühl einzutauchen, um sie besser mit ihrer Sehnsucht nach dem Süden verstehen zu können. Julia Lorenzer war angetan von seinem Engagement, und bald fühlte sie sich ihm wieder nahe, näher als zu Hause. Er hatte neue Seiten von sich entdeckt, vielleicht auch entdecken müssen durch ihr Weggehen. Und sie liebte diese, genauso wie sie feststellte, dass sie auch seine verlässliche vernünftige deutsche Seite mochte.
Das Buch endet damit, dass die beiden gemeinsam für ein halbes Jahr Italien erkunden, und zwar auf Vorschlag ihres Verlobten. Damit zeigt das Buch, wie sehr eine Auszeit von einem Mensch auch andere nahe stehende Menschen berühren, bewegen und verändern kann.

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lichtSCHALTER-nameAls ich das erste Mal die Schwelle des Schlossensemble Eschelberg im Mühlviertel überschritten hab,  hat es in der Sekunde Zoom gemacht. Ich wusste mit 1000-prozentiger Sicherheit, hier will (ja, muss!) ich mich einmal länger aufhalten, um meiner Künstlerinnen-Seele wieder zu begegnen. Es sind diese magischen Momente des inneren Wissens, wo es kein Zaudern und Zögern und Überlegen gibt und wo der Mut im Großpaket mitgeliefert wird, die einem im Leben nicht jeden Tag in den Schoß fallen. Aber wenn sie es tun, na, halleluja, dann ergießt sich die Wirkung in jede Zelle.
Hier ein Tagebuchauszug meiner 2-wöchigen Reise in die Langsamkeit, die von einer Woche Fasten verstärkt wurde.

  1. August 2015

Angekommen auf Schloss Eschelberg mit einem Koffer voller Möglichkeiten. Fastensäfte, Stoffe, Garne, Kamera, Notizbücher, Blumenpresse, zwei Augen und zwei Ohren.

So eine unglaublich starke Stille hier. Indoors funktionieren weder Handy noch Internet. Meine Gefühlslage dazu wechselt von Ah zu Oh. Hier ist dann wirklich nur Stille, keine Verbindung zu anderen. Wer ist hier, wenn nur ich bin? 🙂

  1. August

Sehr beschäftigt mit nichts. Ich verbringe meine Tage wie die Frauen früher: sticken, schreiben, Tee trinken, Haare bürsten, die Landschaft betrachten.

Draußen Wolken. Wie das mit dem Wetter wohl weitergeht? Ich kann im Internet nicht nachschauen. Ich muss mit dem Unberechenbaren, mit dem, was ist, zurechtkommen. Gut so im Grunde. Ich könnte es ja ohnehin nicht ändern, auch wenn ich wüsste, wie das Wetter wird. Spannend, sich dem Jetzt hinzugeben.

Es nützt nichts, aufs Handy zu schauen. (mehr …)

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Es gibt Bücher, die muss man wie ein kostbares Zuckerl lutschen: behutsam ein Wort nach dem anderen auf der Zunge zergehen lassen, den Geschmack auskosten, so lange es geht und der Versuchung widerstehen, schnell zum nächsten Satz weiter zu hüpfen. Der Blick rollt sich schon um den ersten Buchstaben, saugt schon die erste Silbe ein. Nein, halt, langsam. Gaaaanz langsam. Jedes Wort in „In den Wäldern Sibiriens. Tagebuch aus der Einsamkeit“ von Sylvain Tesson verdient diese ehrfurchtsvolle Herangehensweise. „Draußen toben Wind und Kälte so sehr, dass die Blockhütte auseinanderzufallen droht, wenn ich sie nicht mit Liebe fülle.“ Noch ein Stück, bitte. bitte. „Ich, der ich jeder Sekunde an die Kehle sprang, um ihr den letzten Tropfen Saft abzupressen, lerne die Kontemplation.“ Die poetische Beschreibung einer 6-monatigen Auszeit am Baikalsee, das nächste Dorf 120 km entfernt, ist ideal für graue Wintertage, man kuschelt sich in die Worte und erliest sich eine Auszeit, ohne verreisen oder mit der Chefin verhandeln zu müssen.
Einfache Handlungen statt dem Trubel von Paris bestimmen das Leben des Autors nun. Man kann förmlich hören, wie sein aufgedrehter Motor mit jedem Tag Holzhacken, Einheizen und Schlittschuhlaufen ruhiger wird. Und wie seine Schnee-Haikus, die er auf den zugefrorenen See schreibt, täglich form annehmen: „Auf dem weißen Schnee. Die gestrichelte Linie: Heftnaht der Schritte“. Mmmmh! Lecker! Danke, Zuckerl.

Ein tolles Buch für alle, die das Thema Mut zur Einsamkeit interessiert und die gerne eine Sprache mit vielen Sprachbildern genießen.

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